Schweigen

Sie geht rechts. Sie geht links. Versucht der Masse zu entkommen. Sie schlängelt sich durch eine Gruppe Mädchen. Teenager.

Quetscht sich an einer Gruppe Touristen vorbei. Duckt sich. Verdreht sich. Den Blick immer nach vorn gerichtet.

Noch ein Bisschen.

Sie kommt an Menschen mit dunkler Hautfarbe vorbei. Glatze, Vollbart, grüne Augen, Knollnasen.

Kleine Menschen, dicke Menschen. Welchen in kurzen Hosen und welchen in übergroßen Pullovern. Menschen mit Toupé oder Baskenmütze. Einfach Menschen.

Sie geht rechts. Sie geht links. Irgendwie kommt sie durch.

Eine Mauer. Warum eine Mauer?

Sie geht zum Mauerwächter hin.

„Du kommst hier nicht durch!“

Weil ich schwarz bin? Weil ich gelb bin? Weil ich Paschtu spreche? Weil ich Buddhist bin? Weil ich klein bin? Weil ich Segelohren habe? Weil ich Brüste, einen Bart habe? Weil ich einen Sari trage?

Doch sie sagt nichts. Sonst tut es ja auch niemand. Sie reiht sich wieder ein. Sie geht rechts. Sie geht links.

Sie verschwindet in der Masse.

Schweigen II

Sie sitzt schweigend da. Den Kopf gesenkt. Einige kennt sie. Andere nicht. Einige kennen sie. Andere nicht. Alle sind laut. 

Sie reden. Sie lachen. Sie schreien. Doch sie nicht. 

Sie sitzt schweigend da. Der Tumult stört sie nicht. Sie ignoriert ihn. So wie alle anderen sie ignorieren. Doch das ist okay. Das ist es immer.

Sie hängt ihren Gedanken nach. Verschwindet in ihrer Welt. Sie blendet alles um sich herum aus. Dort ist es ruhig. Das mag sie. Dort kann sie sein, wie sie will. Wer sie sein möchte. Wie sie ist. Das mag sie.

Manchmal hat sie das Gefühl, sie ist eine leere Muschelhülle umhertreibend in den Tiefen des Ozeans, vorbei an den Fischschwärmen und Korallenriffen, bis sie letztlich umfangen von Algen an einen Sandstrand angespült wird. Und die anderen sind der naheliegende Vulkan, kurz davor auszubrechen.

Sie sitzt schweigend da. Den Kopf gesenkt. Um sie herum der Krach, der Lärm. Sie ist die stille Insel inmitten eines Chaos, das sie nicht zu beherrschen weiß. Doch das ist okay. Das ist es immer.