
Wir wollten wissen, wie Journalist*innen arbeiten, wie sie sich ihre Infos verschaffen und wie stressig ihr Alltag eigentlich ist. Hierfür haben wir als Freiflieger dieses Gespräch mit der ehemalige Journalistin Regina Koehler geführt.
Frau Koehler arbeitete lange Zeit für die Berliner Morgenpost im Schulressort. Sie gewährte uns spannende Einblicke in ihren Berufsalltag, aber auch in das Berufsbild der Journalist*innen.
Zunächst wollten wir von Frau Koehler wissen, warum sie sich dazu entschieden hatte, Journalistin zu werden. Dabei erfuhren wir, dass es viele Wege gibt, dieses spezielle Berufsziel zu erreichen. Sie selbst studierte Germanistik, begann eine Tätigkeit als Übersetzerin und schrieb dann schließlich nebenher für die „Neue Zeit“ in der DDR. Die „Neue Zeit“ war eine Zeitung der Ost-CDU, weshalb Inhalte politisch überwacht wurden. Frau Koehler erwähnte allerdings auch die großen Möglichkeiten, die verschiedene Nischen darstellten, die sie zu nutzen wusste.
Die besten Beispiele dafür waren das Feuilleton oder christliche Themen. Während ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Journalistin bemerkte sie schließlich ihre wachsende Liebe zum Schreiben, weshalb sie auch bei der Zeitung blieb.
Nach der Wende arbeitete sie erst als Pressesprecherin eines Kindertheaters in Berlin-Lichtenberg, wechselte aber schnell wieder zur Zeitung. Sie fand eine Festanstellung im Lokalbüro der „Berliner Morgenpost“ für Treptow-Köpenick.
Einen ganz anderen Weg zum Beruf des/der Journalist*in beschritt ihr Sohn. Er arbeitet heute als Journalist für die ZEIT online. Nach einem Hochschulstudium lernte er an der Journalistenschule und fing nach einem Praktikum bei der Zeitung an zu arbeiten.
Der Arbeitsalltag einer Journalistin ist, wie Frau Koehler uns beschrieb, kompakt, durchgetaktet und vor allem lang.
In einem morgendlichen Meeting werden alle Themen für den Tag besprochen. Dabei sollte jeder bereits eine Idee davon haben, worüber er/sie schreiben will. Teils werden auch Themen zugeteilt, gewöhnlicher Weise kann man aber größtenteils selbst entscheiden. In einem Großraumbüro schreiben dann alle Kolleg*innen an ihren Texten.
Ständige Telefonate, Rücksprache mit Kolleg*innen und die Schreibgeräusche der anderen sorgen dabei für eine eher beeinträchtigende Arbeitsatmosphäre.
Frau Koehler selbst schrieb meistens alleine an einem Text, holte sich Informationen und Meinungen über Telefongespräche anhand einer Liste von Kontakten ein und vollendete ihren Text dann bis 18.30 Uhr wie vorgegeben. Danach ging der fertige Artikel zu den Producer*innen, von denen er gegengelesen und gegebenenfalls noch einmal von ihr selbst überarbeitet wurde. 19 Uhr war dann Schluss mit der ersten Schicht des Tages, die Texte mussten in den Druck, um am nächsten Tag pünktlich überall erscheinen zu können. Kolleg*innen, die für spätere Meldungen zuständig waren, begannen ihre Arbeit erst mittags, mussten aber auch bis 22 oder 22.30 Uhr arbeiten. Einmal im Monat bekam man obendrein Wochenenddienst, in dem er/sie dann für alle anfallenden Themen zuständig war.
Besonders interressant waren für Frau Koehler Interviews mit Politiker*innen, Künstler*innen und das Kennenlernen von anderen spannenden Personen, die sie ungeniert ausfragen durfte. Auch das Mitmischen im politischen Diskurs reizte sie sehr. Problematiken und Zusammenhänge, die sie mit journalistischen Mitteln aufdeckte, wurden von anderen aufgegriffen und inmitten der Gesellschaft diskutiert.
Ein Beispiel dafür bilden die Missbrauchsskandale der Kirche, die nach ihrer Aufdeckung eine andauernde politische Lawine ins Rollen brachten. Hier zeigt sich auch, wie sehr verschiedene Zeitungen um Schlagzeilen und damit Leser*innen konkurrieren. Jede*r möchte als Erstes die spannendsten Themen ausleuchten und somit Nachrichtentrends setzen.
Zudem wollten wir von Frau Koehler wissen, welche Themen sie am meisten bewegten. Bei welchen Themen es also auch mal schwerfällt, die neutrale Sichtweise einer/s Journalistin/en, die so wichtig für den Beruf ist, beizubehalten. Hier erzählte sie uns von ihrer Recherche zum Thema Babyklappe, wozu sie einen Bericht schrieb, in dessen Rahmen sie das Berliner Krankenhaus Waldfriede besuchte. Hier wurde ein Baby per Babyklappe erst abgegeben, dann später wieder abgeholt. Die Gespräche mit den Betroffenen, die später nur anonymisiert veröffentlicht wurden, gingen ihr besonders nahe. Für ihre journalistische Ausarbeitung dieses Themas erhielt sie 2009 einen Preis.
Ein anderes emotionales Thema war für sie auch ihr Hauptthema, die Bildungspolitik. Besonders wenn man nach einigen Jahren der Beobachtung die immer gleichen Muster erkennt – Lehrermangel, unzufriedene Eltern, Inhalte der Rahmenlehrpläne. Wichtige Themen, bei denen es in den letzten Jahrzehnten ihrer Einschätzung nach keine wesentlichen Veränderungen, geschweige denn Fortschritte gegeben habe. Im Hinblick auf die Zukunft sei sie allerdings gespannt, ob die Praxiserfahrung der neuen Berliner Bildungssenatorin Frau Busse, die bis zur ihrer Berufung als Leiterin einer Grundschule gearbeitet hat, die ewigen Kreisläufe aufbreche.
Besonders interessierte uns, ob Frau Koehler in ihrem Beruf auch viel reiste. Allerdings war sie in ihrer persönlichen Laufbahn eher weniger im Ausland unterwegs, da sie hauptsächlich über Lokales und Bildungsfragen schrieb. Allenfalls machte sie Recherchereisen innerhalb Deutschlands.
Zu guter Letzt wollten wir noch unbedingt wissen, welche Art der Anstellung sie besser findet. Die Flexibilität freiberuflicher Journalist*innen, oder den gesicherten Alltag dank einer Festanstellung?
Sie erklärte uns, dass der Beruf sich seit ihrer Anfangszeit stark verändert habe. Heute müssen Informationen über Ereignisse förmlich schon im Druck sein, bevor etwas geschehen ist. Auch sei es schwieriger, einen festen Vertrag zu bekommen. Man bräuchte einen langen Atem, verbessert seine Chancen aber ungemein durch das Vollenden der Journalistenschule.
Am freiberuflichen Arbeiten mochte sie besonders die eigene Einteilung der Themen, doch sei die Arbeit in einem festen Kreis aus Kolleg*innen besser. Da komme es für sie besonders auf das Miteinander, den Austausch und die Zusammenarbeit an, nicht nur das geregelte Einkommen.
Trotz aller Härten und Schwierigkeiten, die sie in ihrem Beruf erfahren hatte, würde Frau Koehler niemandem davon abraten, Journalist*in zu werden. Der Job werde zwar ihrer Einschätzung nach immer anspruchsvoller, doch mache er auch unglaublich viel Spaß und gute Journalist*innen brauche die Welt immer. Es ist der „schönste Beruf der Welt“, sagte sie vollkommen überzeugt zu uns.
Das Team des Freifliegers ist Frau Koehler sehr dankbar für den Einblick in ihren ehemaligen Beruf und der Leidenschaft, mit der sie mit uns darüber geredet hat, sowie das besonders offene Interview.