
Nach fast zehn Jahren der Vorbereitung eröffnete im November des letzten Jahres endlich das Frankfurter Romantik-Museum und bietet damit ein spektakuläres Blickfenster in die überkomplexe Epoche.
Stella Trost
Trotz atemberaubender Ausstellungen wird nicht jeder Museumsbesuch zu einem angenehmen Erlebnis. Denn enge Flure und teils überfüllte Gänge, die oft nur einen halben Blick auf Ausstellungsstücke erlauben, bieten nur sporadisch die Möglichkeit auf individuelle Eindrücke, von einem intimen und reflektierten Gefühl ganz abzusehen.
Zu erwarten ist ein solches Erlebnis in vielen Fällen daher von vorneherein nicht. Dennoch sollte man hoffen, in einem Museum, das sich mit einer Epoche geprägt durch Individualismus und Empfindungen der tiefsten Psyche beschäftigt, eben dieses zu erleben. Das neueröffnete Frankfurter Romantik-Museum enttäuscht dabei gewiss nicht.
Das Museum ist weltweit einzigartig, denn es ist das erste, das sich der Epoche in ihrer Gänze widmet und variiert dabei genauso in Themenschwerpunkten, wie in Ausstellungsstücken, die neben Gemälden und Graphiken auch Manuskripte und Gebrauchsgegenstände einschließen. Indem das Museum diese in einem innovativen interaktiven Rahmen vereint, der jede einzelne Ausstellung zu etwas besonderem macht, wird jede*r Besucher*in auf individuelle und einzigartige Weise eingebunden.
Und genau das scheint der Kern des Museums zu sein: ein vollkommen individuelles Erlebnis für jede*n. Es geht nicht darum, Massen abzufertigen, die in den kleinen, verschachtelten Räumen ohnehin keinen Platz finden würden, sondern viel eher darum, den Blick durch viele kleinere, intime Abteile immer wieder auf den Besucher oder die Besucherin selbst zurückzuführen. Dadurch entstehen trotz des öffentlichen Charakters, der einem Museum wohl zwangsläufig beiliegen muss, viele kleine unnachahmliche Momente der Intimität.
Es ist gewiss mutig, diese Epoche, die sich über mehrere Jahrzehnte erstreckte und darüber hinaus, so Schlegel, gar nicht fertiggestellt werden könne, anhand einiger, begrenzter Ausstellungen zusammenfassen und greifbar machen zu wollen. Doch eben das versucht das Museum ohnehin nur teilweise. Denn beendet ist die Romantik noch lange nicht, wie Besucher*innen feststellen werden. Sie besteht weiter, ob in späterer Literatur oder jedem und jeder einzelnen.
So ließe sich in dem ungemein verschachtelten und vermeidlich völlig strukturlosen Aufbau der Ausstellungen gewiss einiger Anlass zur Frustration finden. Orientierungslos, wenn auch nur für einige wenige Momente, sind wohl die wenigsten gern. Genauso kann man aber in dieser ständigen Illusion von Struktur etwas urironisches finden. Denn in einer Epoche, in der Schlösser zu Ruinen und Kieselsteine zu Edelsteinen werden, in der Wurzel klagend schreien und Erze sprechenkönnen,scheint es nicht abwegig, dasssich Flure als Räume entpuppen und Vorhänge als Eingang zu Minikinos oder einem riesigen Kaleidoskop aus Buntglas dienen. Genauso ist es nicht gänzlich absurd, sich hinter einem dieser Vorhänge in einem völlig dunklen und gespenstisch leisen Raum wieder zu finden, der darüber hinaus kaum größer als zwei Kubikmeter ist.
Aus dem leisen Getümmel des Vorraums plötzlich in Tiefenstille zu treten ist nicht nur überraschend. Zunächst ist es gar erschreckend, wenn nicht auch überwältigend. Das Museum spielt hier, wie auch in vielen anderen Bereichen, mit eindrucksvoller romantischer Synästhesie. Der Kontrast zwischen der alltäglichen Fülle an visuellen Wahrnehmungen, die sich fast mechanisch mit den bekannten auditiven Reizen mischen und dieser Welle aus Stille und Schwärze ist gerade zu bedrückend. Der Raum scheint von einnehmender Kraft zu sein, was vor allem durch die Schaumstoffzapfen, die wie Pfeile von den Wänden ragen, verstärkt wird. Es wirkt fast, als wäre der Raum im Inbegriff jede*n einsaugen zu wollen, der oder die ihn betritt. Und in gewisser Weise tut er das auch. Die Atmosphäre ist überwältigend trotzdem sie sich im Sekundentakt zu ändern scheint – eine ewige Unausgeglichenheit zwischen Grauen und Geborgenheit.
Doch ganz gleich welches dieser Gefühle letztlich überwiegt, der oder die Besucher*in findet sich plötzlich auf drastische Weise mit sich selbst und seinen beziehungsweise ihren Empfindungen konfrontiert. Er oder sie steht im Vordergrund, was durchaus als angenehm betrachtet werden, genauso aber in Verstörung und Schrecken übergehen kann.
Es ist dieser Individualismus der, trotz ihrer Wechselbarkeit, die gesamte Epoche prägt, ob nun sehnsüchtige Träumereien oder wahnsinnige Abgründe an der Tagesordnung stehen. Er ist es auch, der sich in fast jedem Winkel des Museums wiederfinden lässt, dem es gelingt, neben (verhältnismäßig) größeren Ausstellungsräumen, Momente tiefster Selbstreflexion, wenn nicht noch mehr, zu finden. Es widmet sich sowohl Synästhesie, Sehnsuchts- und frommer Romantik, als auch der Schwarzen Romantik. In seinem Illusionsspiel steckt gar etwas Ironisches. Das Frankfurter Romantik-Museum ist damit nicht nur eine mehr als gelungene Repräsentation der Epoche, sondern darüber hinaus zweifelsohne einen Besuch wert. Ob Romantiker*in oder nicht.