Auschwitz: Friedhof und Museum

Während unserer Projektwoche gab es eine Fahrt nach Krakau, mit dem Ziel, die Gedenkstätten Auschwitz 1 (Stammlager) und Auschwitz-Birkenau zu besuchen sowie eine kleine Stadtführung im Judenviertel zu machen.

Dabei sollten wir uns alle ein Projekt, inklusive Leitfrage, überlegen; einen Gedanken, den wir am Ende des Projekts schriftlich formulieren sollten.

Also hier vorab die Fragen, die in diesem Artikel beantwortet werden sollen:

  • Inwiefern werden die Opfer der Gedenkstätte Auschwitz 1 und Auschwitz-Birkenau vor Ort berücksichtigt?
  • Inwiefern wird auf sie eingegangen, werden sie ignoriert?
  • Und welche Rolle dabei spielt der Tourismus?
Denkmal

Vorab schon mal ein paar Fakten: insgesamt wird die Zahl der Menschen, die nach Auschwitz deportiert wurden, auf mindestens 1,3 Mio geschätzt, wovon 1,1 Mio starben. Davon waren 1 Mio Juden.

Als wir nach der einstündigen Busfahrt von Krakau nach Auschwitz in der Gedenkstätte ankamen, und die Security passierten, begegneten wir unseren Tourguides, zwei Frauen, und wurden in zwei Gruppen geteilt. So folgte jede Gruppe einem Guide.

Bei der Führung im Stammlager war unsere Reiseführerin sehr einfühlsam. Die Führung war auf Englisch, dennoch gut verständlich und sehr informativ. Die kurzen Pausen, die sie nach manchen besonders schweren Informationen einlegte, gab der gesamten Führung zudem Respekt, mehr Einfühlungsvermögen.

Auch wurden einige Opfererzählungen geschildert, auf die ich eingehen bzw. nacherzählen werde. Die Ausstellung im Stammlager war an vielen Stellen auf die Opfer des Verbrechens bezogen, zeigte beispielsweise das Buch der Opfer, indem bereits viele Namen, jedoch vermutlich noch nicht alle, festgehalten wurden.

Eine Urne steht für alle Opfer, da deren Leichen meist nicht würdevoll verbrannt bzw. anders „entsorgt“ wurden. Auch gab es Videos sowie Fotos, die das Leben einiger Juden und derer Familien aus allen Teilen der Welt vor und während des zweiten Weltkrieges zeigten; Räume, die alte Koffer, Kleidung, Geschirr, und andere Habseligkeiten beinhalten; Haare von Frauen, welche abrasiert und dann in großen Mengen für weniger Geld als ein Brot verkauft wurden, und vieles mehr.

Replikate von Kinderzeichnungen zierten in einem Raum die Wände. Zum Thema Kinder lässt sich sagen, dass die meisten kurz nach ihrer Ankunft in Auschwitz starben. Die ca 22.000 Kinder, die jedoch nicht „aussortiert“ wurden, wurden wie die Erwachsenen behandelt.

Kinderzeichnungen; ein Dorf, das mit Stacheldraht eingezäunt ist

In den Fluren beispielsweise hingen auch die Registrationsfotos einiger Häftlinge, sowohl von Männern als auch Frauen. Auf diesen Fotos wurden Name, Geburts- und Sterbedatum und manchmal auch der Beruf verzeichnet. Diese Registrierung war meist das letzte Festhalten der Daten der Menschen, ab dann waren sie nur noch Zahlen. Sie wurden entmenschlicht.

Maier Israel Karas (26300) wurde am 01.02.1942 nach Auschwitz deportiert und verstarb am 02.02.1942.
Registrationsfotos in den Fluren vom Stammlager

Manche Menschen überlebten nur einige Stunden oder Tage unter den schrecklichen Bedingungen. Andere überlebten aber auch einige Jahre, wobei die durchschnittliche „Lebens“dauer 3 Monate betrug. Später, als das Anfertigen von Fotos zu teuer wurde, beziehungsweise als zu teuer angesehen wurde, wurden die Häftlinge tätowiert. Meistens am linken Unterarm, manchmal auf der Brust und Kinder, deren Arme zu dünn waren, wurden an den Beinen tätowiert.

Tätowierungen

Auch sahen wir die sogenannte Todeswand von Block 11, dem „Gefängnis im Gefängnis“, wie unsere Touristenguide passend erklärte. An dieser Todeswand waren die Häftlinge dazu gezwungen worden, sich mit dem Gesicht zur Wand zu drehen, woraufhin ihnen in den Hinterkopf geschossen wurde. Das offiziell jüngste Opfer dieser Wand war 9 Jahre alt, es lässt sich jedoch annehmen, dass mindestens ein Kleinkind in den Armen seiner Mutter getötet wurde.

Die Todeswand

Auschwitz-Birkenau veranschaulichte im Vergleich zum Stammlager eher die Dimensionen des Größten Verbrechens an der Menschheit. Hierbei wurde weniger auf einzelne Opfer eingegangen, dafür ging es hier mehr um die Baracken, die „Lebenssituation“ der Gefangenen und die Führung war etwas mehr gegenwartsbezogen, mit Bezugnahme auf aktuelle Besucherzahlen, die 2023 bei rund 1,67 Millionen Menschen (41 Prozent mehr als 2022) lagen. Der Besucherrekord wurde 2018 aufgestellt. Hier besuchtem 2,15 Millionen Menschen, davon mehr als 3/4 aus dem Ausland die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, die deutschen Besucher standen in diesem Jahr auf dem 6. Platz.

Auschwitz-Birkenau

Somit kommen wir auch auf den Punkt des Tourismus. Es war schon auf den Parkplätzen schnell ersichtlich, dass diese Orte häufig besucht werden. Viele Touren fanden parallel statt, was heißt, dass es in den Gebäuden, und den Baracken schnell recht voll und eng wurde. Dies war vor allem der Fall, als wir das Stammlager besuchten.

Vor Ort, als wir in Auschwitz-Birkenau ankamen, wurde schnell Empörung im Bus laut. Wir waren alle auf etwas aufmerksam geworden: ein Souvenirshop. Einige stellten sich die Frage, was das solle. Aber allen war klar: das geht gar nicht. Nicht an einem Ort, an dem Millionen Menschen festgehalten und der größte Teil von ihnen ermordet wurden, doch trotzdem steht er da, der Souvenirshop.

Aus der Gedenkstätte wurde nicht nur ein Museum gemacht, aus ihr wurde eine Tourismusattraktion. Geht das zu weit? Mit dieser Aufmachung?

Was ich von anderen Besuchern, Touristen, mitbekommen habe, geht meiner Meinung nach definitiv zu weit. Vor der Todeswand beobachtete ich, wie sich einige Besucher der Besuchergruppe vor meiner Gruppe, posierend und lächelnd hinstellten und sich fotografieren ließen. Auch wurde ein gemeinsames Gruppenfoto gemacht.

Solches Verhalten ist kein Einzelfall, auch Vandalismus existiert an diesen Orten. Ringe, die damals zum Festbinden der Pferde genutzt wurden, wurden entwendet. Einige Touristen ritzten ihre Namen oder Symbole an Wände oder Holzdielen, und manche zerkratzten auch die Wände innerhalb einer Gaskammer, die wir auch von innen besichtigen durften. Manche rüttelten an Gitterstäben, andere sangen oder lachten. Was noch schockierender ist, ist die Tatsache, dass dieses Verhalten nicht nur von Jugendlichen kam. Auch Erwachsene verhielten sich dermaßen respektlos, dass man darüber nur den Kopf schütteln konnte. Verstanden diese Leute nicht die Bedeutung der Gedenkstätten? Oder ignorierten sie sie partout? Egal was der Fall ist, dieses Verhalten geht gar nicht.

Besucher ritzten Namen und Ähnliches in Wände, Holzbalken etc

Zum Thema Fotografieren lässt sich sagen, dass es in den meisten Räumen, an den meisten Orten, ohne Blitz erlaubt ist. Ausnahmen bilden hier jedoch der Raum mit den Haaren einiger Frauen, die 90 cm x 90 cm großen Stehzellen, in denen Häftlinge zu viert stehen mussten, manchmal mehrere Stunden oder gar Tage, und allgemein der Keller dort, der beispielsweise auch die Verhungerungszelle beinhaltet.

Eine wichtige Geschichte zu dieser Zelle ist die von Father Maximilian Kolbe. Er hat sich für einen Mithäftling geopfert, der ein Bekannter eines Geflohenen war (pro geflohener/verschwundener Person wurden 10 Bekannte vom „Arbeitsplatz“ o.Ä., oder Mitglieder der eigenen Familie ermordet), und überlebte die Hungerzelle. So wurde er schlussendlich in derselben Zelle von SS-Soldaten erschossen. Der Mithäftling, der eigentlich sterben sollte, überlebte den zweiten Weltkrieg und verstarb im Jahr 1955.

Manche Häftlinge wurden aber nicht „nur“ Opfer der Verbrechen der Nazis, der Vergasungen durch Zyklon B und weiterem. Viele Starben auch an den fehlenden hygienischen Standards, Unterernährung, aber auch durch andere Häftlinge, wie bspw. durch Häftling Nr. 1, Bruno Brodniewicz, der durch seine Gewalttätigkeit auch „schwarzer Tod“ genannt wurde. Brodniewicz wurde als Berufsverbrecher, als einer der ersten 30, nach Auschwitz gebracht und wurde u.a. dort als Funktionshäftling eingesetzt.

Zyklon B

Gegenteilig zu Häftling Nr.1 war Häftling Nr.2, Otto Küsel, der die anderen Häftlinge schützte und auch in vollem Bewusstsein bei der Widerstandsbewegung half.

Aber das sind nicht die einzigen Gründe gewesen, durch die Häftlinge ums Leben kamen. Viele, unter anderem Frauen und Kinder, fielen Josef Mengele, der von Mai 1943 bis Januar 1945 in Auschwitz als Lagerarzt arbeitete, und anderen Ärzten zum Opfer. Mengeles Aufgaben waren u. a. die Selektion, die Überwachung der Vergasung und die Ausführung menschenverachtender medizinischer Experimente. Dazu zählen auch Durchführungen von Studien zur Zwillingsforschung, Wachstumsanomalien, Methoden der Sterilisation von Menschen und weiteres.

Mengels Kinderexperimente

Diese Sterilisationsversuche bestanden an Frauen beispielsweise auch aus Verklebung der Eileiter durch Einspritzung in die Gebärmutter oder aus Bestrahlung der Unterleibgegend mit Röntgenstrahlen. Auch gab es absichtliche Bluttransfusionen mit der falschen Blutgruppe, durch die einige Häftlinge starben.

Insgesamt soll es nach Angabe unseres Guides ca. 900 Fluchtversuche gegeben haben, wobei nur ca. 200 davon gelangen. Es soll sogar eine Flucht gegeben haben, bei der sich zwei Häftlinge als SS-Soldaten verkleidet haben und so fliehen konnten.

Meine Meinung und Fazit

Schlussendlich möchte ich allen, vor allem denen, die sich für das Thema interessieren, einen Besuch empfehlen. Man lernt viel, so viel, dass ich hier nicht alles festhalten kann und einige Themen nur oberflächlich anschneiden konnte oder gar auslassen musste, damit dieser Artikel nicht viel zu lang wird. Um das Ausmaß des Verbrechens erst verstehen zu können, sollte man diesen Ort mal gesehen haben, auch wenn man an einigen Stellen aufgrund der Führung selbst nicht mal innehalten konnte, da die Zeit dazu fehlte und man sonst zu weit zurückfiel.

Denkmal für die Opfer

Zur Beantwortung der Leitfrage, inwiefern die Geschichten der Opfer bei den Führungen und der Ausstellung berücksichtigt werden, lässt sich sagen, dass durch all die Erzählungen unserer Guides und der Unterstützung dieser durch die Ausstellung die Zahlen und Texte in den Lehrbüchern Gesichter bekommen haben. Aus den Texten, wurden Menschen, und das ist meiner Meinung nach, trotz und vor allem wegen den schlimmen Ereignissen, die in den Konzentrationslagern passierten, wichtig. Dass die Menschen, die Opfer des Verbrechens und deren Geschichten nicht vergessen werden.

Sonst wird nur von den Verbrechen, von Hitler, Mengele etc. gesprochen und es sind meist die Opfer, die nicht berücksichtigt werden. Die Opfer, die nur zu einer Zahl werden, was ich problematisch finde.

Und das ist das, was meiner Meinung nach, durch die Erzählungen einiger Geschichten, die ich auch in diesem Artikel teilweise eingebaut habe, gut in der Ausstellung im Stammlager gelöst wurde. Auschwitz-Birkenau sollte jedoch ebenfalls nicht „übersehen“ werden, denn dieser Ort veranschaulicht die Dimensionen, die Größe des Verbrechens, vor allem in Betracht darauf, dass die Zahl der Baracken sogar von 300 auf 600 verdoppelt werden sollten.

Beide Führungen ergänzen sich, und die Opfer werden nicht vergessen.

Der Ort ist schon eher auf Tourismus ausgelegt. Das und das Verhalten einiger Touristen finde ich schrecklich. Es nimmt dem Ort und seinen Opfern den Respekt und zieht sie ins Lächerliche. Wer keinen Respekt zeigen kann, wer vandaliert und sich nicht benehmen kann, sollte nicht an einen solchen Ort kommen. Die Gedenkstätte ist ein Friedhof, kein Spielplatz, und sollte als solcher behandelt werden.

-Anastasia

Quellen:

  • Alle Fotos: Alina Anastasia Rempel ©2024
  • Führung in und durch das Stammlager und Auschwitz-Birkenau

Kleiner Tipp an alle, die sich für das Thema interessieren, die gerne lesen oder am besten auch beides: Einige Überlebende haben Bücher geschrieben, die unter anderem auch von dem Guides empfohlen wurden. Also schaut euch da gerne welche an :).